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Mein Freund Kingsley

 

Es sind soviel Jahre, ja Jahrzehnte vergangen, dass sich wohl niemand der Beteiligten, die in der folgenden Geschichte vorkommen, darüber beklagen wird!

Mitte der 60ger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte ich während meiner Studienzeit einen Job als Kabelhilfe beim WDR. Meine Aufgabe war es, während der Proben oder während der Sendungen den Kameramännern, Frauen mit diesem Job gab es damals noch nicht, durch das Hinterherschleppen eines Kabels freie Fahrt zu gewähren. Alle Studiokameras, diese enorm schweren, aber fahrbaren Geräte, sind mit einem dicken Kabel irgendwie mit dem Regiepult verbunden. 

Das war ein interessanter Job, wenn auch nicht besonders gut bezahl. Immerhin wurden die langen Bereitschaftsstunden aber durchgängig bezahlt.

Hauptsächlich war ich in dem Studio beschäftigt, in dem die Sendungen Hier und Heute und die damals noch bestehende Gastarbeitersendung Ihre Heimat Unsere Heimat produziert wurden. Das war recht interessant, man lernte eine Menge Leute kennen. Hans Joachim Friedrich, die Älteren werden ihn vielleicht noch kennen, war einer davon.

Lange Zeit „betreute“ ich auch den Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer.

Einige von uns Kabelhelfern blieben beim WDR hängen, wurden Aufnahmeleiter, Regisseure, das sogar in leitender Position. Ich wollte mein Studium beenden und verzichtete auf Angebote zu bleiben.

An einem bestimmten Tag der Woche wurden im Verlauf der Sendung Hier und Heute neue Filme vorgestellt, diese Aufgabe hatte Ernst Ludwig Freiswinkel. Dazu trat jener Herr life während der Sendung auf. Dabei wurden auch Kinoplakate gezeigt, die im Studio an einer Wand hingen. Notfalls, wenn kein Kameramann frei war, durfte auch eine Kabelhilfe das Insert mit einer Kamera ins Bild setzen. Heute würde so ein Beitrag vorzeitig aufgezeichnet und bei Bedarf eingespielt.

Damals aber kam Elu, wie er genannt wurde, vor dem Beginn der Sendung in das Studio, wurde begrüßt und auch er begrüßte alle. Einen Kameramann aber besonders, unseren Freund Kingsley Sosa, einen Farbigen aus Afrika :“Na, Kingsley, wieviel Missionare hast du heute wieder verspeist?“ 

Eine Aussage, die heutzutage wohl den sofortigen Rauswurf  zur Folge hätte. Nicht so damals, wir warteten schon auf Elus Spruch beim Betreten des Studios. Alle lachte, am meisten aber unser Freund Kingsley, den wir mochten und als Freund schätzten, wie es wohl auch Elu tat. Wir waren damals genauso gegen Rassismus, wie wir es heute sind. Aber alles war doch weniger verkrampft!

Ernst Ludwig Freiswinkel ist sicherlich tot, was aus Kingsley geworden ist, weiß ich nicht.

 

Nachtrag

 

Gerade ist meine kleine Geschichte aktuell geworden. Eine Deutschlehrerin protestier vehement dagegen, dass ein Roman von Hermann Kesten, geschrieben in der Nachkriegszeit, in dem mehrfach das böse N-Wort, Neger, vorkommt, in der Oberstufe des Gymnasiums zur Pflichtlektüre werden soll. 

Bekämpft man Rassismus, wenn bestimmte Wörter nicht erscheinen dürfen? Es ist lächerlich, wenn Pippi Langstrumpfs Vater nicht mehr Negerkönig heißen darf, wenn im Struwelpeter kein kohlpechrabenschwarzer Mohr mehr auftreten soll! Weitere Beispiele könnten folgen! Bestimmte Wörter hatten nun mal in früheren Zeiten ihre Bestimmung. Heutzutage sollte man die Sache mit weniger Verkrampfung angehen.

Bei der Lektüre in der Schule könnte die Lehrerin/der Lehrer die entsprechende Passage zum Anlass nehmen, über Rassismus zu sprechen, warum man früher so geredet hat und warum man es heutzutage nicht mehr tun sollte.

Wenn die betreffende Lehrerin meint, nur, weil die betreffenden Wörter in diesem Roman vorkämen, sollte das Buch in der Oberstufe nicht gelesen werden, ist das absurd, und die Dame fahl am Platz!


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